gekürztes Beispiel für den Spielfilm "Der Pianist"

 

Als Materialgrundlage dient hier der Spielfilm "Der Pianist" von 2002. Der Film ist käuflich erhältlich.

 

1. Äußere Informationen nutzen

Der Spielfilm „Der Pianist“ ist eine Co-Produktion aus Polen, Deutschland, Großbritannien und Frankreich aus dem Jahr 2002 und wurde unter der Regie von Roman Polanski gedreht. In dem Film wird das Leben des Hauptprotagonisten und Juden Wladyslaw Szpilman, gespielt von Adrien Brody, unter der Terrorherrschaft des nationalsozialistischen Deutschlands begleitet, die er unter anderem im Warschauer Ghetto[1] verbringt. Der Film beruht auf den nach dem Krieg verfassten Memoiren[2] des polnischen Pianisten Wladyslaw Szpilman.

[1] Ein von den Nationalsozialisten errichteten Ghetto (abgeschlossenes Viertel, in dem die jüdische Bevölkerung leben muss) in der polnischen Stadt Warschau. Teilweise lebten hier bis zu 500.000 Juden auf engstem Raum und unter katastrophalen Lebensbedingungen. Das Ghetto bestand vom Oktober 1940 bis zur Deportation der letzten Bewohner 1943.

[2] Lebenserinnerungen, die als Buch oder Ähnliches veröffentlicht werden.

2. Inhalte erfassen

„Der Pianist“ lässt sich in drei Abschnitte gliedern, wobei alle drei Abschnitte eingeklammert werden von zwei Szenen, in denen Wladislaw Szpilman für den Polnischen Rundfunk ein Stück von Frédéric Chopin spielt. In dem ersten Abschnitt des Filmes wird die Zeit von dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bis zur Deportation der Juden ab dem 16. März 1942 aus dem Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka thematisiert. Als zweiter Abschnitt des Spielfilmes kann die Zeit von Anfängen der Deportationen bis zu der erfolgreichen Flucht Wladislaw Szpilmans aus dem Transportwagon nach Treblinka gesehen werden. Der letzte Abschnitt des Filmes beginnt mit der erfolgreichen Flucht und endet mit der Befreiung Warschaus und dem sich versteckt haltenden Pianisten durch die russische Armee.

Die zentralen Themen des Spielfilmes sind das Vermitteln der möglichen Realität der jüdischen Bevölkerung Polens während der deutschen Besatzung und die Darstellung des Lebens ausgewählter Personen. Hierbei wird von Polanski die Hoffnung der jüdischen Bevölkerung, aber auch der Konflikt zwischen Gut und Böse dargestellt. Im Laufe des Filmes werden auch der Mut und die Würde der jüdischen Untergrundkämpfer hervorgehoben. Polanski verfolgt mit dem Spielfilm „Der Pianist“ das Ziel, eine authentische Wirklichkeit anhand eines historischen Protagonisten darzustellen, wobei er seine eigenen Kindheitserfahrungen aus einem Ghetto in das Drehbuch mit einfließen ließ.

Beispiel eines Beobachtungsprotokolls zweier Szenen

Szene

Inhalt

Filmische Gestaltungsmittel

Wirkung

00:20:40 – 00:22:00

Szpilman und sein Bruder lehnen das Angebot von Itzak Heller ab, für die jüdische Polizei zu spielen

Kameraeinstellung: nah

Kameraperspektive: Normalsicht

Kamerabewegung: Statik

Beleuchtung: gedimmtes Licht

Schnitt: Darstellung in Echtzeit

Ton: Dialoge

Darstellung des Protagonisten, der sich trotz seiner Situation gegen Kollaboration entscheidet. Er ist kein willenloser Mensch und trifft seine eigenen Entscheidungen.

Itzak Heller wird als Fremdkörper dargestellt, der abgesondert von der Familie an dem Esstisch sitzt.

00:28:44 – 00:31:13

Szpilman betrachtet aus dem Fenster seiner Wohnung das Massaker an den Bewohnern der gegenüberliegenden Wohnung, es wird im Schnitt gewechselt zwischen dem Massaker (1.) und den betrachtenden Personen (2. Familie Szpilman).

Kameraeinstellung:

1. Halbnah

2. nah

Kameraperspektive:

1. Vogelperspektive / Normalsicht

2. Normalsicht

Kamerabewegung:

1. Statik

2. Schwenk

Beleuchtung:

1. Dunkel

2. gedimmtes Licht

Schnitt:

1. Echtzeit

2. Echtzeit

Ton:

1. Motorengeräusche

2. Dialoge

Hoffnungslosigkeit, Wirkungslosigkeit, Protagonist ist verdammt dazu, zuzusehen und alles über sich ergehen zu lassen.

Trauer

3. Das Material einordnen

Die Handlung des Spielfilms, beruhend auf der Autobiographie des jüdischen Pianisten Wladislaw Szpilman, ist historisch der Zeit der Besatzung Polens durch Nazi-Deutschland zuzuordnen. Die Autobiographie Szpilmans ist bereits 1946 erschienen und war die Grundlage des Drehbuches von Ronald Harwood, wobei der Regisseur Roman Polanski auch seine persönlichen Erfahrungen mit einfließen ließ. Auch Polanski lebte als Kind während des Nationalsozialismus zeitweise in einem Ghetto der Nationalsozialisten, dem Krakauer Ghetto, und entkam der Deportation in ein Konzentrationslager nur durch die Flucht aus dem Ghetto. Das Produkt wendet sich an eine breite Zuschauerschaft, da er als kommerzieller Film hohe Einspielergebnisse erzielen soll, indem er zentrale Themen des Holocausts vermittelt und besonders auf die Emotionen der Zuschauer und Zuschauerinnen abzielt.

In der Zeit des Nationalsozialismus war es so, dass in von den deutsch besetzten Gebieten Polens Wohnbezirke errichtet wurden, die als eine Art Sammellager für jüdische Bürger dienten. In diesen sogenannten Ghettos lebten die Juden unter menschenunwürdigen Umständen, abgetrennt vom Rest der Bevölkerung, bis sie weitertransportiert wurden, so zum Beispiel in Vernichtungslager wie Treblinka. Im Warschauer Ghetto lebten 1942 bis zu 550.000 Einwohner auf einer sehr kleinen Fläche mit sehr schlechter medizinischer Versorgung und Lebensmittelversorgung, was Seuchen, Krankheiten, Hunger und oftmals auch den Tod mit sich brachte. Auch waren die Menschen in dem Ghetto stets der Willkür der deutschen Besatzung ausgesetzt.

Nachdem ein Großteil der noch lebenden Bevölkerung des Ghettos deportiert wurde und nur noch rund 40.000 bis 70.000 Menschen dort lebten, beschlossen viele nun, Widerstand gegen die Einheiten der Schutzstaffel der Nationalsozialisten zu leisten. Unter der Führung der „Jüdischen Kampforganisation“, auch ŻOB genannt, die im Warschauer Ghetto im Untergrund agierte, begann am 19. April 1943 ein mehrere Wochen andauernde Aufstand der jüdischen Bewohner. Erst mit dem Niederbrennen des kompletten Viertels brachte die SS das Ghetto wieder unter Kontrolle, welches daraufhin aufgelöst wurde. Die überlebenden Bewohner des Ghettos wurden entweder noch im Ghetto erschossen oder in Vernichtungslager deportiert, nur wenige konnten zum Beispiel über die Kanalisation entkommen.

All diese Aspekte und Geschehnisse werden auch von Wladislaw Szpilman erlebt, in seinen Memoiren niedergeschrieben und in dem Film „Der Pianist“ aufgenommen und filmisch dargestellt.

4. Das Material deuten

Die historische Darstellung des Films ist als im Grundsatz zutreffend zu beurteilen, weil die Situation der jüdischen Bevölkerung recht wahrheitsgetreu und an Quellenmaterial angelehnt dargestellt wird und verschiedene Facetten der Geschichte vermittelt werden. Kollaborateure sowie Untergrundkämpfer werden vorgestellt, wobei der allgemeine Kampf ums Überleben im Vordergrund steht. Die Darstellungen der Ereignisse im Warschauer Ghetto wurden von weiteren Überlebenden wie Marcel Reich-Ranicki, einem deutsch-polnischen Literaturkritiker, als authentische Wiedergabe ihres Lebens gewertet.

Man kann jedoch einräumen, dass die deutliche Darstellung der Verhältnisse im Warschauer Ghetto in Teilen sehr überwältigend ist, sodass die Bilder erschreckend und eventuell überfordernd wirken können. Abschließend ist zu sagen, dass der Film „der Pianist“ ein sehr gelungenes Werk über den Holocaust ist, der den Zuschauer gefangen nimmt und versucht, nicht geschönte Verhältnisse darzustellen. Das Ziel des kommerziellen Erfolges hat der Film zudem erreicht, so erhielt der Film drei Oscars, diverse Nominierungen und erzielte weltweit Einnahmen von über 120 Millionen US-Dollar.